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Die damalige
Situation ….
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Im Zentrum von Sendai erreichte das Beben nicht
die volle Stärke, war aber mit 4 min.
sehr lange. Fassaden bröckelten, Fenster
zerbarsten, Straßen rissen auf und brachen ein.
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Der Tag war bewölkt. Nach dem Erdbeben war es so
kalt, dass Schnee fiel.
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Sofort brach die Stromversorgung zusammen, es
folgten drei Tage ohne Strom.
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Die Wasserversorgung klappte nur da und dort.
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Das Gaswerk war durch den Tsunami zerstört
worden, daher gab es über einen Monat lang kein
Gas. Herde und Heißwasserboiler, Duschen, Bäder,
Heizgeräte waren nicht einsatzfähig.
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Auch die Aufzüge funktionierten durch die
häufigen und starken Nachbeben nicht.
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Der öffentliche Verkehr war gelähmt. Durch den
Tsunami waren Bahnlinien und Bahnhöfe nicht in
Betrieb. Durch Strom-Versorgungsengpässe und
Geleiseschäden stand der Shinkansen über einen
Monat lang still.
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Benzin und Heizöl waren nicht mehr erhältlich.
Trotzdem bildeten sich vor den Tankstellen lange
Schlangen.
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Die Geschäfte waren geschlossen. Auch die
24-Stunden Läden waren entweder geschlossen oder
nur stundenweise geöffnet, da es keine Ware gab.
Auch Mc Donalds und Starbucks waren über einen
Monat lang geschlossen.
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Was das AKW in Fukushima betraf, so hatten
manche Leute bspw. wegen des austretenden
Wassers Bedenken, doch durch die günstige
Windrichtung nach dem Unfall gab Auswirkungen
auf Sendai. Mein Erleben der
Katastrophe … Während der ersten großen
Erschütterung wusste ich ehrlich gesagt nicht,
was passiert war. Durch den Stromausfall flohen
die Menschen aus den umliegenden Firmen und
Geschäften ins Freie und kehrten dann offenbar
heim. Bei meiner Arbeitsstelle ist das nicht
möglich. Um im Katastrophenfall weiter arbeiten
zu können, wird das Büro durch einen
Stromgenerator versorgt und diese Maßnahmen
traten sofort in Kraft. Außerdem ist 15 Uhr, also der
Zeitraum unmittelbar nach dem Beben, wegen der
Tagesabrechnung die stressigste Zeit in der
Bank. Ich vergewisserte mich daher, ob alles
funktionierte, setzte meinen Helm auf und
arbeitete, während es ständig neue Nachbeben
gab. Danach holte ich Informationen über die
Situation ein, bereitete alles für die
Nachtschicht (es war ja Freitag) und für das
Wochenende vor.
Ohne es zu merken, war es Abend geworden.
Es wurde später und als die Arbeit langsam
überschaubar wurde, übergab ich an meine
Vorgesetzten, die an dem Tag Nachtschicht hatten
und brach ins Wohnheim auf. Um nach den Familien
der Vorgesetzten zu sehen, ging ich 2 km zu Fuß
– im Schneefall mit Helm und Taschenlampe. Durch
den Stromausfall war es stockdunkel, ich hatte
wirklich Angst. Im Heim angekommen fand ich
die Frauen und Kinder wohlbehalten vor. Da sie
aber sehr große Angst wegen der Nachbeben
hatten, drängten sie sich alle im Speisesaal im
Erdgeschoß zusammen und aßen, was alle
mitgebracht hatten. Die Kinder schliefen mit
Decken auf den Sofas. Die Erwachsenen kauerten
sich in ihren Mänteln auf den Sesseln zusammen.
Aufgrund der Kälte und der Nachbeben
konnte ich kaum ein Auge zumachen. Der nächste Tag
… Zum Wochenende und abends
ging die Arbeit weiter und wir lebten im
Wohnheim ohne Strom und Gas wie Flüchtlinge. Es
schien in der Stadt Notunterkünfte in Schulen
etc. zu geben, wir aber waren auf uns gestellt.
Im Wechsel kehrten wir ins Wohnheim zurück,
gingen gruppenweise einkaufen usw. Bei uns gab
es viele Mütter mit kleinen Kindern, die den
zeitaufwändigen Einkauf nicht erledigen konnten.
Daher machte ich den Vorschlag, wir sollten alle
zusammenhelfen und verteilte die Aufgaben. Die
Vorgesetzten, die Frauen, alle waren gleich
einverstanden.
Die Mütter mit Kleinkindern sollten
Vorbereitungen für das Essen treffen, wir
brachen zum Einkauf auf.
Wir teilten uns in 2er, 3er Gruppen und
liefen Läden ab, aber überall war geschlossen.
Zufällig fanden wir ein kleines
Lebensmittelgeschäft. Die Kühlanlagen waren
ausgefallen, daher lagen Gemüse und Fleisch vor
dem Geschäft. Das kauften wir, stellten uns 1-2
Stunden vor dem Wasserwagen an und kehrten dann
ins Wohnheim zurück. Das Leben nach der
Katastrophe ... Das Allerschwierigste
war der Einkauf von Nahrungsmitteln und
sonstigen notwendigen Konsumgütern. Nach einigen
Tagen öffneten endlich die großen
Supermarktketten, doch überall bildeten sich
sofort Schlangen von einigen Hundert Metern. Um
ein Geschäft betreten zu können, waren
Wartezeiten von 5 bis 6 Stunden an der
Tagesordnung. Da Warenmangel herrschte, war
deren Ausgabe rationiert. Ich habe von Menschen
gehört, die sich um 3 Uhr nachts vor ein
Lebensmittelgeschäft stellten, um zur
Öffnungszeit um 10h vormittags unter den ersten
zu sein. Auch der Mangel an Benzin und Öl war
dramatisch, sodass sich auch vor den Tankstellen
lange Schlangen bildeten. Nach 4 Tagen klappte die
Stromversorgung im Zentrum von Sendai wieder und
wir kehrten alle in unsere Zimmer zurück. Doch
Gas gab es weiterhin keines. So konnten wir nur
die strombetriebenen Geräte wie Mikrowelle und
Kochplatte benützen. Da Brennstoffe nicht
erhältlich waren, hatte die Firma Bedenken das
Duschen weiterhin zu erlauben, da damit das
Schweröl in den Tanks zu schnell verbraucht sein
würde. Viele teilten allerdings die Ansicht,
dass es wirklich hart sei an kalten Wintertagen
nicht warm duschen zu können, und so bat ich die
Firmenleitung eine Ressource sparenden Duschplan
ausarbeiten zu dürfen. Diesen verteilte ich an
alle BewohnerInnen. So hatten alle die
Möglichkeit zweimal pro Woche zu duschen. Mein Zimmer als
Notunterkunft …!?
Was mein Leben nach der
Katastrophe von dem der sonstigen
Firmenangehörigen unterschied war, dass mein
Zimmer Notunterkunft für andere wurde. Da es
sich um ein Firmenwohnheim handelte, waren es
natürlich nicht Menschen, zu denen ich überhaupt
keine Beziehung hatte. Zuerst waren es
jedenfalls die Großmutter und die Tante eines
älteren Kollegen, die ihr Haus durch den Tsunami
verloren hatten. Sie erlebten wohl den Tsunami
wurden aber gerettet und kamen schließlich in
unser Wohnheim. Mein Kollege wohnte im
Männertrakt. Es fehlte ihm an allem, um weitere
zwei Personen aufnehmen zu können. Bei mir, die
ich als einzige weibliche Angestellte im
Familientrakt untergebracht war, konnten die
beiden Frauen beispielsweile auch mein Gewand
und meine Schuhe tragen. Sie blieben zwei Tage,
bis sie Plätze in einem Bus zu Verwandten nach
Tokyo ergatterten. Die nächste war eine junge
Firmenangestellte. Sie lebte nördlich von Sendai
in einer Stadt, die schwer vom Tsunami getroffen
worden war. Rundherum Trümmer- berge wurde ihr
Haus von den schlimmsten Schäden verschont, doch
die Bahnlinie war zerstört und damit kein
Pendeln in die Firma möglich. Die Bahnlinie
sollte über einen Monat lang außer Betrieb sein.
Es schmerzt mich immer noch, dass ich ihr kein
gutes Essen bieten konnte, da es ja kaum
Lebensmittel gab. Doch gemeinsam konnten wir die
schlimmste Zeit überstehen. Meine Gefühle als
Katastrophenopfer. Unmittelbar nach der
Katastrophe war es wirklich schlimm. Doch es gab
nur einen Weg für mich, nämlich alles mir
Mögliche für die Menschen zu tun, denen es noch
schlechter ging. So war ich ständig aktiv und
überstand wohl die Trauer, keinen Kontakt mit
meiner Familie aufnehmen zu können. Jetzt sind viele Menschen
bemüht das Katastrophengebiet wiederaufzubauen
und in der Stadt Sendai herrscht praktisch
wieder Normalzustand.
Doch es ist eine Tatsache, dass es
Gebiete gibt, in denen die Aufräumungsarbeiten
noch lange Zeit in Anspruch nehmen werden bzw.
der Schutt nicht beseitigt werden kann. Damit
ist eine Kluft zwischen den ursprünglich ähnlich
schwer betroffenen Gebieten entstanden. Zudem sind die Informationen über den AKW-Unfall in Fukushima verworren. Angst bestimmt die Zukunft. Doch in der Nachbarpräfektur Miyagi wurden keine erhöhten radioaktiven Werte gemessen und in Städten wie Sendai oder Tokyo leben die Menschen wie vor der Reaktorkatastrophe. Um den Opfern zu helfen, ist jeder einzelne gefordert sich nicht von Gerüchten in die Irre führen zu lassen, sondern die Informationen besonnen zu verwerten und solidarisch zu handeln. Das ist sehr wichtig, finde ich. |
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